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Sedimentationsprozess Stadt

Kein fotografischer Realismus, sondern ein scheinbarer nutzt hier die Möglichkeiten der Komposition um mit räumlicher Staffelung eine Geschichte aufzubauen, die es nie gegeben hat. Die Dichte der Stadträume, die inhaltlichen Abweichungen und die Kraft der einzelnen Bauelemente weist in eine Zeit vergangener Blüte.
Die Gesellschaft, deren Höhepunkt schon lange vorbei ist, bildet noch die Grundlage und den Maßstab des gegenwärtigen Handelns und artikuliert so ein Gleichnis vom Fluss der Dinge.

Mit dem Manierismus eklektizistischer Formen wird ein Teilbereich der Postmoderne über den Punkt hinausgeführt, ein Nebeneinander von zitierten Stilen zu bilden.
Ausgehend von der Definition der "Doppelkodierung" als entscheidendes Charakteristikum postmoderner Bauten, in der durch eine Kombination aus historisierenden und modernen Formen, regionalen und internationalen Bezügen unterschiedliche Benutzerschichten angesprochen werden sollten, werden hier wieder theoretisch homogenere Idealbilder zitiert.
Für J.-F. Lyotard, der das Thema 1979 philosophisch ausarbeitete (1982 dt. "Das postmoderne Wissen"), beschreibt Postmoderne einen geistigen Zustand der Gegenwart nach dem Scheitern der großen Utopien. Hier hingegen ist unausgesprochen eine ehemalige, scheinbar aus der Vormoderne kommende Utopie als Kulisse vorausgesetzt. Dieses Architekturcapriccio verweist somit auf die Gleichzeitigkeit bestimmter pseudohistorischer Ereignisse, die eine Hinterfragung ihrer stilistischen Herkunft darstellen, da sie Anachronismen beinhalten. Es gibt zeitliche Widersprüche in den Arbeiten, die auf eine Realität jenseits der Utopien hinweist, aber dennoch eine scheinbare Ideale Stadt als Ausgangspunkt nehmen.

Die Unbeantwortbarkeit der Frage nach der Kausalität bestimmter architektonischer Hinterlassenschaften mündet somit in die Forderung Adornos in der „Ästhetischen Theorie“, dass das Kunstwerk immer Rätsel produziert, die es nicht auflöst: "Die Unbestimmtheitszone zwischen dem Unerreichbaren und dem Realisierten macht ihr Rätsel aus."

Die Schaffung des Gefühls der Temperatur, die Isoliertheit der Darstellung durch das Fehlen aller beweglicher Dinge und die Antagonistenpaare homogene und heterogene Oberflächen, Ruhe der Architektur und Bewegung der Perspektive, Angst einflössende dunkle Ecken und belichtete Inseln der Ruhe, erzeugen einerseits einen starken perspektivischen Sog.
Andererseits wird durch die eher in Grisaille gehaltene Einheitlichkeit eine Reduzierung auf die Begriffspaare Fiktion und Realität, Erinnerung und Gegenwart sowie Leben und Tod erreicht.

Ein weiteres Thema der Arbeiten kommt aus der ästhetischen Raumtheorie, die sich ja nicht mehr nur mit Fassade und Innenraum beschäftigt, also dem reinen Außen und Innen der klassischen Architekturtheorie, sondern verstärkt mit der Wahrnehmung von Atmosphären.
Zur Atmosphäre gehört eben auch die Positionierung im Stadtraum, das Licht, die Beziehung zu anderen Formen in der Umgebung, die durch Schatten und Spiegelungen in Fenstern angedeutet werden. Die teilweise melancholischen, isolierten, bedrohlichen und manchmal auch romantischen Stimmungen oder Atmosphären knüpfen an die Ideen der Moderne an – mit der gleichzeitigen Forderung, ein Projekt der Symbiose der Zeitalter weiterzuführen.

   
       
     
     
 

Künstler reflektieren seit Beginn der Postmoderne die Kunstgeschichte. Stefan Hoenerloh versucht eine imaginäre Kunstgeschichte zu schaffen, also eine autonome Kunstgeschichte, die als gedankliches Spiel mit minimalistischen Fragmenten die umgebende Welt reflektiert. Dass dies im Bereich Architektur angesiedelt ist, deutet auf die Zeitkomponente hin, denn wie bei einer Langzeitbelichtung würde nur die Architektur (das Unbewegliche) beim streifenden Blick in eine imaginäre Kultur sichtbar bleiben.

Hoenerloh formt seine Bildideen mit der Rationalität eines Bühnenbildners, der das architektonische System und die Sichtachse des Betrachters
im Sinn hat. In den nüchtern und rational komponierten Werken entfaltet sich eine Welt voller Ahnungen und Rätsel mit vertrauten und fremdartigen Elementen. Hoenerloh ist ein Meister anachronistischer Verwerfungen und subtiler Spannung. Dabei fliessen verschiedene Quellen ein, wobei die Konzeptionen der Bilder auf Surrealismus und Postmoderne sowie der Formensprache der Renaissance und Gründerzeit begründet sind.
Verschiedene Zeitebenen fließen zusammen: räumliche Anordnung und Strenge der Arbeiten verweisen auf Gemälde Giorgio de Chiricos, während das Grisaille an die unwirklichen Farben von Yves Tanguy erinnert. Die Atmosphäre der Bilder erinnert an Arnold Böcklin, zwischen Max Ernst, Anselm Kiefer, Matthias Weischer und Mark Tansey werden hier verschiedene konzeptuelle Verflechtungen aufgebaut.

Über den primär sichtbaren Widerstreit zwischen dem abstrakten Charakter der Wandflächen und der idealen Planung eines Architekten erschliesst sich, teilweise nur über Titel und winzige Schriftzeichen ersichtlich eine fragile Ebene in den Bildern Hoenerlohs, die über die Ebene des Zitate hinausgeht; die Postmoderne wird versuchsweise transzendiert. Die "...als postmodern bekannt gewordenen Topoi - Ende der Meta-Erzählungen, Dispersion des Subjekts, Dezentrierung des Sinns, Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen..." (Wolfgang Welsch: unsere postmoderne Moderne" werden von Hoenerloh grossenteils unterlaufen oder gar in ironische Distanz gerückt. Eine Kunst, welche nur noch interkontextuell verstanden wird, bleibt hermetisch und hat sich von der Ursprungsintention selbstreferentiell entfernt und zu einem künstlerischen Elfenbeinturm geführt. Hoenerloh hält einen Schlüssel für uns bereit, einen Magnet, welcher den Zugang zu den Bildern auf einer primären Ebene mit Hilfe narrativer Elemente erleichtert. Er verweigert die Inkohärenz der Postmoderne fortzuführen, welche das grosse Problem der sogenannten postmodernen Beliebigkeit aufgeworfen hat, indem er stilistisch einheitliche Häuserzeilen mit einer retro-kohärenten Malweise kombiniert. Die These des Pluralismus wird mit manieristischer Collagierung aufgegriffen; trotz hoher Informationsdichte sind die Bilder Stefan Hoenerlohs streng spartanisch.

Es findet sich eine autonome modellhafte Kunstgeschichte durch verschiedentlich auftretende Vanitas-Symbole wie das Mise En Abyme und Zitate eigener Bildteile, sowie gedankliche Antagonistenpaare mit einer Vertauschung von Innen- und Aussenraum oder Teilen aus Jackson Pollocks Werken, die in die Wandflächen eingearbeitet sind, damit wird die Verwitterung der Abstraktion gleichgestellt.
Schrift und Verwitterung werden als universelle Chiffren für Information verwendet. Die Qualität unserer Fortschrittsgesellschaft scheint mit der Informationsquantität zu steigen, ungeachtet dessen, dass die Schnelligkeit des Informationsflusses uns längst überfordert - die Folge ist eine zunehmende Entwurzelung der Gesellschaft. Der gedankliche Verarbeitungsprozess des Fortschritts braucht evolutionär gesehen Jahrtausende. Verwitterung als naturgegebene Komponente sollte ihren Platz in der Gesellschaft haben, wie der Wechsel der Baumblätter oder die Abtragung eines Canyons. Die sich daraus ergebenden narrativen Elemente der Wasserlinien, Löchern oder Überbauungen haben so ihren Platz als Komponenten einer integral stabilisierenden Utopie ohne die Bauhaustraditionalität eines Richard Rogers oder Rem Koolhaas.
Hoenerloh hat das Modell einer Welt entwickelt, die zwar eine hohe Informationsdichte aufweist - aber gleichzeitig eine entschleunigte Welt darstellt, in der die patinierte Wand die kulturell höherstehende ist.